Zur bundesweiten Aktion âWir stehen auf!â gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit fĂŒhrte der Veranstalter H. Lange das folgende Interview mit Torsten HĂŒner, dem stellvertretenden Vorsitzenden der TO.
„Euch interessiert, warum sich ein FuĂball Fanclub eigentlich fĂŒr politische Themen engagiert? Und wie so ein Zusammenschluss von Fans eigentlich arbeitet? Dann lest selbstâ
Wir haben mit dem christlichen Fanclub „Totale Offensive“ des HSV ĂŒber ihre Arbeit gesprochen. Danke fĂŒr dieses spannende Interview!
1)    Wann ist euer Fanprojekt entstanden? Gab es hierfĂŒr einen besonderen Auslöser oder Hintergrund?
Die AnfĂ€nge fĂŒr das Fanprojekt liegen schon einige Jahre zurĂŒck. Konkreter Auslöser fĂŒr die GrĂŒndung des christlichen HSV-Fanclubs war der 26.9.2004. Beim Spiel HSV – Hertha BSC Berlin hing im Stadion neben meinem Banner âJesus siegtâ erstmals auch die Fahne âMit Hamburg oft, mit Jesus immer Siegerâ. Nach dem Spiel traf ich die anderen christlichen HSV-Fans beim AbhĂ€ngen ihrer Fahne und wir lernten uns kennen. Beim Abschied fragte ich die anderen drei, was sie von der Idee halten, einen christlichen HSV-Fanclub zu grĂŒnden.
Aus der Begegnung entwickelten sich rasch immer mehr VorschlĂ€ge und Ideen, wie ein Fanclub aussehen kann, der unsere Liebe zum HSV und zu den HSV-Fans zeigt. Auf diese Weise ist nach lĂ€ngerer Vorbereitungszeit ein sozial-diakonisches Fanprojekt entstanden, mit dem wir uns am 4.7.2005 als Offizieller HSV-Fanclub âTotale Offensive e.V.â (TO) gegrĂŒndet haben.
2)    Man hört ja hĂ€ufig von FuĂballfans, dass im Stadion kein Platz fĂŒr Politik sei und sieht gleichzeitig immer wieder HitlergrĂŒĂe und rechte Bekleidungsmarken in den Fankurven. Wie seht ihr den Zusammenhang von FuĂball und Politik?
3)Â Â Â Â Â Wie sieht es in eurer Fangemeinde mit rechten Gesinnungen aus? Gab es hinsichtlich dessen Probleme?
Da FuĂballfans und âinteressierte aus nahezu allen Schichten der Gesellschaft kommen, ĂŒberrascht es nicht, dass auch nahezu alle Schichten und Meinungen in den Stadien vertreten sind.
Einer unserer Schwerpunkte ist, bewusst ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen. Deshalb haben wir z.B. in unserer Fanclub-Satzung folgenden Passus zur Beendigung der Mitgliedschaft aufgenommen:
âBei SchĂ€digung des Vereins, z.B. durch die Verbreitung von links- oder rechtsextremistischer Gesinnung, Material und Parolen und/oder die vorsĂ€tzliche Verbreitung und Anstiftung von Gewalt wird gleichzeitig der HSV informiert, um seine Distanzierung zu gewĂ€hrleisten und den Fanclub zu schĂŒtzen. Ăber mögliche rechtliche Schritte entscheidet der Vorstandâ.
Probleme mit rechter (oder linker) Gesinnung. gab und gibt es in unserem Fanclub nicht.
4)Â Â Â Â Was ist eure Strategie? Wie versucht ihr die Fans zu erreichen? Wie sieht eure Arbeit konkret aus?
Als langjĂ€hrige HSV-Fans, bei mir z.B. mit fast 40-jĂ€hriger HSV-Vergangenheit, fielen uns zwei Bereiche auf, die einige Fans und den FuĂball kaputt machen: Erstens ein unkontrollierter Umgang bzw. Missbrauch von Alkohol und Drogen bei einer Reihe von Fans und damit verbunden zweitens eine verminderte Hemmschwelle fĂŒr Provokationen bis hin zu Gewalt.
HSV-Fans, die erkennen, dass sie mit ihrem Alkoholkonsum oder aggressiven Verhalten Probleme im Alltag haben, wollen wir helfen. Unser Fanclub-Vorsitzender Uwe Grantien, mehr als 50 Jahre HSV-Fan, hatte selbst mit Alkoholproblemen zu kĂ€mpfen, aus denen er herausfand und einen Neuanfang schaffte. Deshalb möchte er, dass anderen HSV-Fans ein Ă€hnliches Schicksal erspart bleibt. Seit einiger Zeit bieten wir die Möglichkeit an, sich einer Suchtgruppe anzuschlieĂen, die von Uwe Grantien geleitet wird. Nach unserer Kenntnis ist diese âHilfe von HSV-Fans fĂŒr HSV-Fansâ ein Novum in der Fanszene. Der Vorteil fĂŒr die Betroffenen ist: Aus Angst vor einem RĂŒckfall mĂŒssen sie nicht zwangslĂ€ufig den Stadionbesuch meiden, sondern können mit uns zum HSV gehen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Fanclubs ist die GewaltprĂ€vention. Zu ausgewĂ€hlten Heimspielen des HSV veranstalten wir seit dem Jahr 2006 StadionausflĂŒge fĂŒr jeweils etwa 200 Kinder und Jugendliche. Vor den Spielen bietet die TO dem Fannachwuchs ein PrĂ€ventionsprogramm gegen Gewalt und Suchtmittelmissbrauch an. Der Dipl.-PĂ€dagoge Bernd Hock, Mitglied des Fanclubs und hauptberuflich mit einem Figuren-Revue-Theater in Deutschland tĂ€tig, prĂ€sentiert dazu altersgerechte BĂŒhnenshows. Bei Sport, Spielen, Shows und Musik zeigen wir, dass sie als Einzelpersonen wichtig sind. Sie lernen grundlegende Werte eines sozialen Miteinanders und erfahren, dass Respekt und Toleranz gute GefĂŒhle machen.
5)Â Â Â Â Wie wird eure Arbeit angenommen? Seht ihr Erfolge? Was gibt es fĂŒr Probleme?
An den Kids-Begleitungen ins Stadion kann jedes Kind zwischen acht und 13 Jahren teilnehmen, unabhĂ€ngig davon, ob es bei uns Mitglied im Fanclub ist. In der TO finden Kinder unterschiedlicher Herkunft spielerisch zusammen, wodurch Vorurteile und soziale Spannungen abgebaut werden. Wir freuen uns, dass regelmĂ€Ăig auch neue Kinder und Jugendliche an unseren Aktionstagen teilnehmen.
Bei den Kindern, Jugendlichen und Eltern kommen das PrĂ€ventionsprogramm und die Stadionbegleitung sehr gut an. Der Fanclub hat inzwischen mehr als 350 Mitglieder (davon ĂŒber 40 Kinder), womit er der gröĂte HSV-Fanclub in Hamburg ist. Neben Christen aller Konfessionen sind unsere Mitglieder auch Fans, die mit Glauben oder Kirche nichts am Hut haben, aber unsere Angebote und Ziele gut finden. Jeder ist willkommen, der die HSV-Raute im Herzen trĂ€gt. Um jedem die Möglichkeit zu geben, am Vereinsleben teilzunehmen, kann man bei uns auch kostenfrei Mitglied sein.
Inzwischen gibt es ein deutschlandweites Netzwerk christlicher Fanclubs der Totalen Offensive aus elf verschiedenen StÀdten.
Der christliche HSV-Fanclub wird unterstĂŒtzt durch verschiedene Personen des öffentlichen Lebens, die unserem Club und seinen zentralen Anliegen durch eine Schirmherrschaft ihren guten Stempel aufdrĂŒcken.
Als Schirmherren haben unter anderem zugesagt:
- ZĂ© Roberto, ehemaliger Spieler des Hamburger Sport-Vereins
- Collin Benjamin, ehemaliger Spieler des HSV
- Bastian Reinhardt, Botschafter fĂŒr die Initiative âRespekt! Kein Platz fĂŒr Rassismusâ sowie frĂŒherer Sportchef des HSV, HSV-Nachwuchsleiter und HSV-Spieler
- Rodolfo Cardoso, Trainer der zweiten Mannschaft des HSV
und frĂŒherer HSV-Spieler - Oliver Scheel, Vorstandsmitglied des HSV
- Christian Reichert, langjÀhriges Vorstandsmitglied des HSV und Mitglied des Vereins
- Hermann Rieger, Kultmasseur beim HSV, Identifikationsfigur vieler HSV-Fans
und Mitglied des Vereins - Shelley Thompson, frĂŒhere HSV-Spielerin, A-Nationalspielerin und Vertreterin der Stiftung Deutsche KinderSuchthilfe des Blauen Kreuzes, einer international tĂ€tigen christlichen Einrichtung fĂŒr Suchthilfe
FĂŒr das deutschlandweite Netzwerk der christlichen Fanclubs der TO haben bis heute zugesagt:
- Dr. Theo Zwanziger, langjÀhriger PrÀsident des DFB
- Holger Hieronymus, DFL-GeschĂ€ftsfĂŒhrer, DFB-Vorstandsmitglied und frĂŒherer Spieler des HSV
- Udo Bandow, EhrenprÀsident der Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg und langjÀhriger Aufsichtsratsvorsitzender des HSV
- Helge Adolphsen, langjÀhriger Hauptpastor der St. Michaelis Kirche in Hamburg
- Thies Hagge, stellvertretender Vorsitzender der Evangelischen Allianz Hamburg, Pastor der Friedenskirche Jenfeld, Initiator der Arche Jenfeld, einer Einrichtung fĂŒr sozial benachteiligte Kinder, Jugendliche und Familien sowie Mitglied des Vereins
6)    Wie sind die UmstĂ€nde fĂŒr eure Arbeit, personelle und zeitliche KapazitĂ€ten?
Unsere Mitglieder engagieren sich grundsĂ€tzlich ehrenamtlich fĂŒr den Fanclub. Bei unseren Kidsbegleitungen werden oft bis zu 30 Betreuer fĂŒr die Kleingruppen gebraucht, die sich regelmĂ€Ăig die Zeit nehmen und mit Freude die Kinder und Jugendlichen betreuen. GroĂer Beliebtheit erfreut sich auch unsere FuĂballgruppe, die einmal wöchentlich in der Halle spielt.
Eine groĂe personelle und zeitliche Herausforderung wird der kommende Kirchentag im Mai 2013 in Hamburg sein. Wir freuen uns, dass wir â wie zuletzt auf den Kirchentagen in Bremen und Dresden â auch diesmal wieder einige TOs aus anderen StĂ€dten dabei haben. Auf dem Markt der Möglichkeiten werden wir an einem gemeinsamen Stand die verschiedenen sozialen Projekte der TO-Fanclubs vorstellen.
Mit von der Partie wird auch die TO Bremen sein, wo man an unserem Stand hautnah erleben kann, dass wir zwar sportlich Rivalen sind, aber in friedlicher Gesinnung gut miteinander umgehen können.
Ein weiterer Höhepunkt wird am Freitag, den 3.5.2013, ab 15.30 Uhr der Gastauftritt des in Hamburg lebenden ehem. Box-Europameisters Alexander Dimitrenko sein. Er wird unter anderem erzÀhlen, wie sehr ihn besonders sportlichen Niederlagen und persönlichen Krisen geprÀgt haben, um menschlich zu reifen.